Der Krieg mit den Molchen

Les Trucs & Karel Čapek

(c) Marina Hoppmann
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Der Krieg mit den Molchen

Les Trucs & Karel Čapek

Naif, Naif, Tritontakt und Wasserchor! So oder so ähnlich klingt der Aufstieg einer pazifischen Riesenmolchpopulation zu einer die Menschheit bedrohenden Weltmacht. Distinktes Rauschen, pelagisches Quäken, die Romantik ist tot! Die Zukunft gehört den Molchen! Nach ihrem letztjährigen Mousonturm-Debüt „Der Fleischgarten“ wagt sich das Frankfurter Musik- und Performance-Duo Les Trucs mit „Der Krieg mit den Molchen“ an eine Neuinterpretation des gleichnamigen Literaturklassikers von Karel Čapek, der, 1936 entstanden, zu den ersten Science-Fiction-Romanen zählt. Darin erzählt Čapek die Geschichte einer Molchkolonie, die von einem Handelskapitän in einer verlassenen Bucht entdeckt und zunächst zum Perlentauchen abgerichtet wird. Doch bald stehen die gelehrigen Molche im Dienst der Menschheit und werden weltweit für submarine Tätigkeiten eingesetzt. Und je größer ihr Arbeitseinsatz ist, desto größer werden auch ihre Population und ihr Anspruch auf Lebensraum und Gleichstellung mit den Menschen. Zusammen mit Schauspielerin Beatrice Frey, Multiinstrumentalist Bastian Hagedorn und allerlei elektronischem Gerät fluten Les Trucs den Saal des Mousonturms mit Text-, Klang- und Sprachfragmenten und erzählen Čapeks fantastische Geschichte, die ein überraschend prophetischer Ritt durch die von Ausgrenzung, Gier und Machtkämpfen geprägte Welt unserer Tage ist.

Infos

Dauer: ca. 90 Min.
Sprache: Deutsch
Mousonturm-Koproduktion
Kombiticket 4.9. "Der Krieg mit den Molchen" + "Auto-nomie"""
Am 4.9. Premierenparty mit Han and the Twins im Anschluss an die Vorstellung

Beteiligte und Förderer

Regie, Komposition, Livemusik : Les Trucs (Toben Piel, Charlotte Simon)
Text: Karel Čapek in der Übersetzung von Eliska Glaserová
Sprecherin: Beatrice Frey
Percussion: Bastian Hagedorn
Licht: Matthias Rieker
Ton: Fernando Castro
Technische Leitung: Matthias Rieker
Produktion: Lisa Gehring
Assistenz: Jascha Bernhard
Dramaturgie: Hanna Steinmair, Anna Wagner
Stimmen: Felix Kubin, Franziska Junge, Nika Breithaupt, Dominik Maringer, Schorsch Kamerun, Jens Rachut, Oliver Augst

und: Wolfgang Müller, Daniel Degeest, Andreas Schlager, Susanna Fernandes Genebra, Giovanni Sortino, Vanessa Loibl, Klaus Brömmelmeier, Sylvester von Hösslin, Hendrik Otremba, Julia Schmalbrock, Tatsuki Hayashi, Sonja Yakovleva, Jonathan Penca, Matthias Rieker, Hendrik Quast, Jonathan Penca, Michael Langeneckert

Gefördert vom Musikfonds e. V. mit Projektmitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, durch das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst und vom Kulturamt der Stadt Frankfurt am Main sowie von der Bundeszentrale für politische Bildung.

Mehr Informationen

Ich warne Euch!

von Jonas Engelmann

Wie klingt ein „Marsch der Tritonen“ und wie der „Triton-Trott“? Wie auch immer sich diese auf nur drei Tönen aufbauende Avantgarde-Musik anhören mag, sie wird das Ende der Menschheit musikalisch begleiten, ausgestrahlt im Radioprogramm einer neuen Gesellschaft riesenhafter Molche, die den globalen Herrschaftsanspruch der Menschen zurückweisen. Die Natur schlägt zurück – und sie hat sich die Technik angeeignet. Und das schon 1936, im Roman „Der Krieg mit den Molchen“ des Tschechen Karel Čapek. Die Triton-Musik sei „schneidige, schamlose Musik“ heißt es dort, während der „Chief Salamander“ der Menschheit über das Radio droht: „Ich warne euch! Ich habe genug von euren Dummheiten.“ Es erklingt der „Salamander-Dance“, während Torpedos der Molche die britische Kriegsflotte versenken und beginnen, das Festland abzutragen, um mehr Lebensraum für ihre 20 Milliarden Artgenossen zu gewinnen.

Das Ende der Welt, wie wir sie kennen, ist für Čapek nicht ohne musikalische Begleitung denkbar. Und hier setzt das aus Charlotte Simon, Toben Piel sowie diversen elektronischen Gerätschaften bestehende „Mensch-Ding-Orchester“ Les Trucs an: Wie kann sich, in einen Theaterkontext übersetzt, die musikalische Rache der Molche für jahrelange Ausbeutung, Sklaverei und die Profitgier der Menschheit anhören?

„Bei Les Trucs hat die Form immer schon ganz klar den Inhalt bestimmt“, erklären Simon und Piel im Interview. Die Aneignung von Stilen, das Spiel mit dem Material der Kulturgeschichte, die Verweigerung von einfachen Antworten sind das künstlerische Konzept des seit 2008 bestehenden Duos, das auf der Konzertbühne ebenso zuhause ist wie im Theater. „Es geht um Inhalt und Form. Das ist sehr wichtig, das ist der Punkt“, singen Les Trucs 2012 auf „The Musical“, einem Album über Arbeitsverhältnisse und die Flexibilisierung des Selbst. Die Übergänge zwischen den beiden Musikern und den von ihnen bedienten elektronischen Gerätschaften sind fließend, ebenso wie die Grenze zwischen Performern und Publikum – Konzerte finden konsequent in der Mitte des Saales statt.

Auch beim 2018 im Mousonturm uraufgeführten Theaterprojekt „Der Fleischgarten“ sowie beim zugehörigen Album „Jardin du Boeuf“ wurden Grenzen überschritten: die Grenzen des Körpers. „Ich schneide ab und klebe an“, heißt es im Song „Der Chirurg“, der die Stimmung des Projekts vorgibt. Körper werden aufgetrennt und seziert, modifiziert und zerstückelt, am Ende bleiben „Blut, Eiter, Kot und Insekten“. Eine Kritik am Optimierungs- und Schönheitswahn? Oder eine formale Umsetzung des eigenen musikalischen Konzepts, das Töne zerdehnt, modifiziert, zerstückelt, neu zusammensetzt und stetig neue Klangkörper erschafft? Les Trucs verweigern sich auch hier einer klaren Antwort, „Analyse und Zerstreuung“ nennen sie ihr Konzept. Aus der Zerstreuung, den Harmonien und Soundschichten, die plötzlich aufbrechen und anfangen weh zu tun, schält sich eine Analyse gesellschaftlicher Verhältnisse heraus.

Auch „Der Krieg mit den Molchen“ lässt sich gerade aufgrund seiner formalen Experimente, der Vielstimmigkeit und der diversen Perspektiven auf eine zugrunde gehende Welt als „Analyse und Zerstreuung“ lesen. Der Roman ist formales Experiment, lässt Forschungsberichte neben Zeitungsartikeln, wissenschaftliche Abhandlungen neben philosophischen Essays stehen, für deren Vermittlung in der Theaterinszenierung die Schauspielerin Beatrice Frey zuständig sein wird. Die formale Offenheit der Vorlage eröffnet viele Zugänge zu ihrem dystopischen Gesellschaftsentwurf.

Für Les Trucs sind vor allem die im Roman beschriebenen Kommunikationsformen interessant: Neben der Musik der Molche wird der Rundfunkkanal, über den die Molche der Menschheit ihr Ende ankündigen, im Mittelpunkt stehen. Und selbstverständlich ist Wasser, der Lebensraum der Molche, zentrales Element im Theaterraum: Wasser wird zum Resonanzraum, zum Ausgangspunkt von Sounds, die vom Drummer Bastian Hagedorn ergänzt werden.

Unter dem Deckmantel eines Science- Fiction-Romans hat Karel Čapek das realistische Bild einer Welt kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs gezeichnet, in der Nationalismus, Ausgrenzung, Kolonialismus und der Kapitalismus eine unheilvolle Einheit bilden. Les Trucs nehmen sich dieser Dystopie an, inszenieren einen „Marsch der Tritonen“, der zur Analyse einer Gegenwart am Abgrund wird. Denn: „Die Zukunft gehört den Molchen!“