Das Theater – Nach dem Ende der Versammlung III

andpartnersincrime

(c) Julia Novacek
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Das Theater – Nach dem Ende der Versammlung III

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Im Jahr 2020 stehen die repräsentativen Bauten in der Mitte der Städte leer. Die Theater sind geschlossen, ebenso die Konzertsäle, selbst der Römer, das Frankfurter Rathaus, ist weitgehend verlassen. Ein hartnäckiges Restpublikum versucht noch, sich nicht zu nahe zu treten, ansonsten wird pflichtbewusst gestreamt. Aber was wäre, wenn die Theater und Parlamente nicht aufgrund von Gesundheitsrisiken verlassen wurden, sondern weil Politik und Theater plötzlich an anderen Orten stattfinden, dort, wo zusammen gekocht und probiert, aber auch diskutiert und gestritten wird. Dort wo neue gesellschaftliche Organisationsformen erprobt werden? Zum Beispiel in den Küchen und Kantinen der Stadt? Nach dem Ende der Versammlung macht sich eine Gruppe von Theatermacher*innen auf die Suche nach Möglichkeiten von Theater jenseits dessen, was sich als repräsentative Öffentlichkeit versteht. „Das Theater“ ist Teil des Langzeitprojekts „Nach dem Ende der Versammlung“, in dem sich die Performancegruppe andpartnersincrime mit neuen Formen der Versammlung auseinandersetzt.

Infos

Dauer: ca. 30 Min.
Sprache: Deutsch und Englisch

Zugang:
Den Link zum Film on Demand erhalten Sie auf dem Ticket. Sie können den Film im Veranstaltungszeitraum 25.01.2021 – 30.01.2021 sehen.

Applaus, Gratulationen etc. gerne via Instagram unter dem Hashtag #ASSEMBLY

Beteiligte und Förderer

Regie, Kamera, Schnitt: Julia Novacek
Text, Dramaturgie: Eleonora Herder
Recherche, Öffentlichkeitsarbeit: Tim Schuster
Sounddesign: Marc Behrens
Gestaltung, Set: Anna Sukhova
Kostüm: Tanya Tverdokhlebova
Darstellerin, Sprecherinstimme: Shahrzad Osterer
Regie- und Dramaturgieassistenz: Ceren Yildirim
Produktionsleitung: Eleonora Herder, Anna Maria Bolender
Theaterwissenschaftliche Beratung: Julia Schade
Rechtswissenschaftliche Beratung: Leon Züllig
Choreografische Beratung: Jorge Bascuñan

Eine Produktion von andpartnersincrime in Kooperation mit dem Künstlerhaus Mousonturm und dem Historischen Museum Frankfurt. Gefördert von Kulturamt der Stadt Frankfurt. Ermöglicht durch das Reload Stipendium der Kulturstiftung des Bundes.

Mehr Informationen

Biografien

Julia Novacek

ist Filmemacherin und Video- und Performancekünstlerin. Sie studierte Kunst und digitale Medien an der Akademie der Bildenden Künste Wien und Angewandte Theaterwissenschaft in Gießen. In ihren filmischen und performativen Arbeiten interessiert sie sich für die mediale Konstruktion und Brechung von Authentizität. Ihre medieninstallativen Arbeiten waren u. a. zu sehen am Kasseler Dokfest, SON/TON Festival (Brüssel) 2019, Hessische Theatertage 2017, thealit (Bremen), MUMOK Kino (Wien), Casa del Sol (Los Angeles), Top Kino (Wien), BRDG (Antwerpen), Brut Konzerthaus (Wien), K3 Kampnagel (Hamburg), sowie eine LED-Bespielung des UNIQA Tower (Wien).

Seit 2015 arbeitet sie an Performanceprojekten, die sich oft durch die Arbeit mit Expert*Innen auszeichnen. Es entstanden kollaborative Projekte wie „RAGE“ Mousonturm (FFM), „Nach dem Ende der Versammlung“ Mousonturm (FFM), „Antigone Archivoper“ Schwere Reiter (München), „BOUNDARIES“ Weltkulturenmuseum (FFM), „SOFT SKILLS gonna bite“ Mousonturm (FFM) und „IPSAGON“ Ballhaus Ost (Berlin). Mit ihrem Filmkollektiv Studio Studio arbeitet sie aktuell an dem dreijährigen Filmprojekt „Studio Vogelsberg“ im Rahmen einer FLUX-Residenz (2019 – 2021). 2018 FLAUSEN-Stipendium. 2019, Start-Stipendium von Bundeskanzleramt Österreich für Musik und Darstellende Kunst. 2020 RELOADED Stipendium der Kulturstiftung des Bundes. www.julianovacek.com

Eleonora Herder

ist die Begründerin und künstlerische Leitung von andpartnersincrime. Sie hat Theaterregie in Barcelona und Krakau auf Diplom studiert und absolvierte danach ihr Masterstudium am Institut für Angewandte Theaterwissenschaft in Gießen. Seit 2013 arbeitet sie als freiberufliche Regisseurin und Dramaturgin in Frankfurt am Main, Barcelona, Berlin und Warschau. Im Jahr 2010 gründete sie gemeinsam mit Falk Rössler und Arne Köhler das spanisch-deutsche Performancekollektiv DIE RESILENTES. In dieser Konstellation entstanden „NOW THE FIELD IS OPEN. Eine szenische Konferenz“(Teatre Lluire Barcelona), die ortsspezifische Arbeit „LULU. To all our Lovers“ (Gießen) und die szenische Installation „LOTTEgoesLIQUID“ (Teatre Nau Ivanow Barcelona). Sie entwickelte mit Musikern des Ensemble Modern das szenische Konzert „OLA NOCTURNA. Als sie noch von nichts wussten“ (Frankfurter Positionen 2011).

Weitere Produktionen sind die szenische Installation „SITE OF FICTION“ (Frankfurt LAB und Landestheater Marburg), die Installation „ZWOFADOLEI“ (Studio Naxos Frankfurt am Main und Hessisches Staatstheater Wiesbaden), der Audiowalk „PORANNY SPACER“ (Teatr Ochoty, Warschau) sowie das interaktive Buchprojekt „Wo stehst du? Ein Stadtführer, der eine Performance ist, die eine Stadtführung ist“2016 hat sie mit dem iranischen Regisseur Arvand Dashtaray eine interkulturelle Performance unter dem Titel “RECONSIDER YOUR IMAGE OF ME” am Stadttheater in Teheran entwickelt. Im Rahmen der Recherche für dieses Stück hat sie den geflüchteten iranischen Industrietaucher Saeed Sedaghat kennengelernt, mit dem sie 2017 das performative Hörspiel “ARE YOU THERE” an dem Theater Landungsbrücken in Frankfurt am Main erarbeitet hat. Als Dramaturgin kollaboriert sie regelmäßig mit dem katalanischen Regisseur und Kurator Àlex Rigola sowie mit dem irakischen Regisseur Akram Assam. Ihre Performance-Installation ZWOFADOLEI* wurde 2015 bei den Hessischen Theatertagen am Staatstheater Wiesbaden gezeigt. Auszeichnungen: 2009 Junger Regiepreis Barcelona, Postgraduiertenpreis der Hessischen Theaterakademie, Stipendiatin des Internationalen Forum des Theatertreffens 2015, Stipendiatin der Bienal de Buenos Aires. Das Buch “WO STEHST DU” ist auf die Longlist des Wettbewerb »Förderpreis für junge Buchgestaltung 2017« gewählt worden. Herder war von 2016 – 2019 Vorstandsmitglied von ID_FRANKFURT Independent Performing Arts.und kuratierte dort das ortsspezifische Festival IMPLANTIEREN 2018.

Marc Behrens

(* 1970) experimentiert sowohl genre- als auch ortsübergreifend in und mit Bildender Kunst, Musik, Theater und Literatur. Der gebürtige Darmstädter arbeitet mit elektronischer und konkreter Musik, Installation, Performance, Fotografie, Text und Video. Er performt und zeigt Ausstellungen in vielen Ländern Europas, in Südafrika, Chile, USA, Japan, China, Taiwan, Malaysia, Australien, Israel und Palästina. Er veröffentlichte bisher über 30 Musikalben. Behrens war darüber hinaus an verschiedenen Hochschulen als Lehrbeauftragter tätig, darunter die Hochschule der Bildenden Künste Saar in Saarbrücken (HBKSaar) sowie die Hochschule Darmstadt-Dieburg. Seit 2018 engagiert sich Marc Behrens als Mentor für das flausen+ young artists in residence-Programm. Behrens ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Elektroakustische Musik (DEGEM) und Bürger des Königreichs Elgaland-Vargaland.

Anna Sukhova

absolvierte 2013 ihr Diplom in Grafikdesign an der staatlichen Akademie „Stroganov“ in Moskau, Russland. Seit 2013 studiert sie Typografie und Grafikdesign an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach am Main. In ihren eigenständigen, freiberuflichen Arbeiten liegt ihr Schwerpunkt auf dem Medium Buch, Printmedien und Austellungsdesign. Ihre letzten Arbeiten sind die interaktive Performancebuch «Wo stehst du? Ein Stadtführer, der eine Perfomance ist, die eine Stadtführung ist» , die Publikation zum Jahresbericht 2016 der Hochschule für Gestaltung Offenbach; die Gestaltung der Ausstellung «Scripted Spaces» in der Galerie Satelit in Berlin; sowie die Konzeption und Gestaltung der Ausstellung «Amateur, Sprache» in PaTI in Seoul, Korea. Des Weiteren entwickelte sie eine Buchserie für den Moskauer Verlag Ad Margenem in Zusammenarbeit mit GARAGE, dem Museum für Moderne Kunst in Moskau. Sie hat die gesamte räumliche und visuelle Gestaltung für das Performancefestival IMPLANTIEREN2018 sowie das soziokulturelle Zentrum „Offenes Haus der Kulturen“ verantwortet.

Shahrzad Osterer

ist Journalistin, Moderatorin und Sprecherin. Shahrzad Osterer ist 1984 mitten im Iran-Irak-Krieg in Teheran geboren. Mit 19 entschied sie sich, ihre Heimat zu verlassen. Seit 10 Jahren arbeitet Osterer für verschiedene Formate des Bayrischen Rundfunks, unter anderem im Redaktionsteam der BR-Sendung „Messages of Refugees“, als Au- torin für das Zündfunk-Magazin und für die gesellschaftspolitische Sendung „Zündfunk-Generator“. Sie hatte einen eigenen Empower- ment-Podcast beim BR, und ist aktuell Moderatorin bei dem neuen Diversity-Projekt des BRs „Workin‘ Germany“ und schreibt für einige Printmedien.

Tim Schuster

ist Dramaturg, Performer und Stadtaktivst. Tim Schuster studierte Politologie, Geschichte, Germanistik und VWL in Frankfurt am Main und Santiago de Chile, danach Promotion in Theaterwissenschaft. Er ist Teil der Gruppen Arty Chock und Red Park. Arbeiten u.a. am Künstlerhaus Mousonturm Frankfurt, Gessnerallee Zürich und Landestheater Marburg. Daneben arbeitet er als Theaterpädagoge, u.a. am Schauspiel Frankfurt. Letzte Arbeiten: SAPONifikation. Einige Übungen in Aufruhr und Ökonomie, Künstlerhaus Mousonturm 2016; ARE YOU THERE. Frankfurt / Teheran, Landungsbrücken Frankfurt, 2017. Tim Schuster ist Vorsitzender des Vereins Offenes Haus der Kulturen und maßgeblich beteiligt an der Arbeit des Netzwerks “Frankfurt Bockenheim mit Flüchtlingen”, das gemeinsam mit Geflüchteten ein vielfältiges Hilfs- und Kulturprogramm für Alt- und Neufrankfurter, organisiert.

Ceren Yildirim

(*1997 in Wiesbaden) studiert Theater-, Film- und Medienwissenschaft in Frankfurt am Main. Ihre Interessenensschwerpunkte liegen bei Fragen zu Kollektivität, Subjektkonstitution und Räumlichkeit, vor allem durch die Auseinandersetzung mit feministischen und postkolonialen Theorien. Erste praktische Erfahrungen machte sie als Regieassistentin am Künstlerhaus Mousonturm.

Anna Maria Bolender

(*1998) studierte Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Goethe Universität und macht ihren Master in Performative Künste in sozialen Feldern. Sie arbeitet als Performerin, Regieassistenz (für Film und Theater) und Projektmanagerin in verschiedenen performativen Kontexten und war zum Beispiel an der Produktion „Die Kinder der toten Stadt“ des Papageno Musiktheater beteiligt. Zudem arbeitet sie in der kulturellen und politischen Bildung beim Mädchen* Kulturzentrum Mafalda und den Werkstätten für Demokratie. Sie ist Mitinitiatorin die studentische Initiative Bunburys Theatre Company, und gestaltet freie Kunstprojekte in Kollaboration und alleine.

HINTERGRUND INFO:
Herzlich willkommen zu „Nach dem Ende der Versammlung III: Das Theater“, dem Dokumentarfilm zu unserem Langzeitprojekt zu Formen der Versammlung!

Im März 2020 brachen mit der Ausbreitung des Corona-Virus Grundlage und Gegenstand unserer künstlerischen Arbeit weg: Das Theater und die parlamentarische Politik. Zuerst wurden alle Theaterveranstaltungen abgesagt, dann wurde der Aufenthalt von Gruppen mit mehr als fünf Personen im öffentlichen Raum verboten. 48 Stunden später waren es nur noch zwei. Abstandsregeln wurden eingeführt und der Boden mit entsprechenden Markierungen versehen. Die Gesellschaft wurde in sogenannte Kernfamilien aufgeteilt und die Menschen vergruben sich in digitale Höhlen, in welchen das Weltgeschehen lange Schatten an die Wände warf.

Ende Mai – mitten in der gesellschaftlichen Schockstarre des Lockdowns – kaperten wir dann zusammen mit einigen Nachbar*innen die leerstehende ehemalige „Akademie der Arbeit“ in Frankfurt. Die vom Gewerkschaftsbund gegründete Institution, die hier seit den 1920-Jahren Arbeiter*innen Zugang zu politischer Bildung ermöglichte, besaß nicht nur eine professionell ausgestattete Großküche, sondern auch einen geräumigem Speisesaal und einen anliegenden Garten.

In Windeseile wurden die Wände gestrichen, Möbel und Gastrogeräte herangekarrt und ein Netzwerk von regelmäßigen Lebensmittelspenden organisiert - und bereits Anfang Juli konnte die „ada_kantine“ feierlich eröffnet werden.

Der erste Lockdown hatte deutlich gemacht, wie wichtig die sorgetragenden Einrichtungen sind, aber auch wie schnell sie wegbrechen können und dass der Hashtag stayhome für viele nur nach einem schalen Witz klingt. Und nicht zuletzt hat uns die Pandemie schmerzhaft vor Augen geführt, wie vereinzelt wir alle leben. Wir wollten nach dieser Erfahrung nicht zurück in die sogenannte Normalität, die uns eh nie wirklich normal schien. Wir wollten aus der Krise lernen und eine neue Realität einstudieren. Und was wäre ein besserer Ort für ein solches Lernen als eine ehemalige Akademie?

Während wir unsere Kantine gründeten, passierte an einem anderen Punkt unserer Stadt etwas ähnlich Kurioses. Die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung verließ mit ihren 93 Parlamentariern den Plenarsaal des Rathauses und zog in die Kantine der Stadtwerke, wo sich die Sicherheitsabstände besser einhalten ließen. Ähnlich wie in der ada_kantine wurden die Diskussionen ab diesem Moment begleitet von dem Geruch von Eintopf und dem Klappern von Geschirr.

Die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Essen und politischer Versammlung begleitete von nun an unsere künstlerische Forschung. Im Fokus standen dabei drei Formen der Versammlung: Die Kantine (oder Küche), das Parlament und das Theater. Wir trafen uns mit Köch*innen, Jurist*innen, Theaterwissenschaftler*innen und Parlamentariern, befragten sie zu ihren Versammlungsformen und versuchten herauszufinden, inwiefern sie sich durch die Pandemie neu erfinden müssen. Einige ihrer Beiträge finden sich in dem Film wieder.

Am Ende unserer Forschung sollte eine Performance stehen: „Nach dem Ende der Versammlung II: Das Parlament“. In Kooperation mit dem Historischen Museum Frankfurt und dem Künstlerhaus Mousonturm wollten wir eine theatrale Führung durch das verlassene Rathaus veranstalten. Darin sollte die Journalistin und Moderatorin Shahrzad Osterer durch das Rathaus führen als wären es Ruinen einer anderen Zeit. Als wir bereits aufgeregt die erste Pressemitteilung rausgeschickt hatten – wurde der zweite Lockdown ausgerufen und wir mussten unsere Führung in den digitalen Raum verlegen.

Glücklicherweise hat Julia Novacek unseren gesamten Prozess mit der Kamera begleitet und aus dem Material den tragischkomischen Essayfilm „Nach dem Ende der Versammlung III: Das Theater“ geschnitten, das nun im Künstler:innenhaus Mousonturm seine Premiere feiert. Der Film will unsere Suche dokumentieren, aber auch die Fragen aufgreifen, die wir uns während unserer Recherche gestellt haben. Wie meistens in den Arbeiten von andpartnersincrime geben wir auch hier keine Antworten, sondern stellen Fragen, streuen den Zweifel und halten uns, im Sinne Donna Haraways an das was wir am Besten können: an die Unruhe.