Schlaflos in... Frankfurt

Susanne Zaun & Judith Altmeyer

Schlaflos in... Frankfurt

Susanne Zaun & Judith Altmeyer

There are numerous causes for sleepless nights: stage fright, heartache, working an all-nighter, vampirism… A party night that only ends in the early morning hours, talking all night long with a new lover or good friends, a summer night at the North Cape, where the sun never sets. In her Late Night Show, Judith Altmeyer invites the audience to stay awake with her to celebrate sleep. Various experts for nighttime and dreams, lullabies and hot milk with honey will guide us through the night into the early morning hours. One sleepless night is not like the other!

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Late-Night-Show
Language: German
With: Judith Altmeyer (Concept, Performance), Susanne Zaun (Concept) und Gästen

A coproduction of Zaungäste GbR with Künstlerhaus Mousonturm. Supported by Implantieren Festival 2018 by ID_Frankfurt e.V.

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Hintergrund

Alle, die sich mit Gesundheit, Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit befassen, kommen am Thema Schlaf nicht vorbei. So auch die Trendforschung, namentlich das Gottlieb Duttweiler Institut in Zürich, das sich mit der wissenschaftlichen Erforschung von Trends beschäftigt. Eine Prognose, die das Institut abgeben kann, ist folgende: „Der gesunde Schlaf wird sich im 21. Jahrhundert zum größten Gesundheits- und Lifestyle-Projekt entwickeln.“ Gemäß dem Gottlieb Duttweiler Institut wird ein gesunder Schlaf in Kürze denselben Stellenwert haben, wie eine gesunde Ernährung. Auch für die Schlafforschung ist klar, dass Schlafmangel und Schlaflosigkeit nicht ohne Folgen bleiben. Wie es Schlafforscher Zulley salopp formuliert: zu wenig Schlaf macht krank, dick und dumm. Immerhin finden 70 % der körperlichen sowie 100 % der geistigen Regeneration statt – nur durch gesunden Schlaf können sich Körper und Geist regenerieren. Zahllose Produkte, die den gesunden Schlaf fördern sollen, zeigen, dass es eine ganze „Schlafindustrie“ gibt. Das Geschäft mit dem Schlaf ist ein Zeichen der stetigen Selbstoptimierung ein riesiger Markt.

Doch die Grenzen des Schlafs zu überwinden, hat die Menschen auch schon lange in den verschiedenen Bereichen von Kunst, Wissenschaft und Eventkultur von jeher fasziniert: „Am Ende sah Peter Tripp Spinnweben in seinen Schuhen und pelzige Würmer auf einem Tweed-Jackett. Aus einer Schublade loderten Flammen. Er beschimpfte die anderen Personen im Raum und zweifelte irgendwann an seiner Identität. Er war sich sicher, er sei nicht er selbst, sondern ein Freund, der alle anderen lediglich erfolgreich davon überzeugt hatte, er sei Peter Tripp. Zu diesem Zeitpunkt 3 war Peter Tripp, ein 32-jähriger Radiomoderator beim New Yorker Sender WMGM, schon 201 Stunden am Stück wach.“ (Quelle: dummy, Ausagbe Winter 16/17). Was im Januar 1959 teils als Spendenmarathon, teils als Werbeaktion für den Radiosender begonnen hatte, war zu einem der bis heute maßgeblichsten Experimente geworden, die der Frage nachgehen, was massiver Schlafentzug mit Menschen macht. Eltern von Kleinkindern, Schichtarbeiter*innen, Jetseter, Zeitumstellungssensible, grundsätzlich um den Zustand der Welt besorgte: kaum jemand, der nicht irgendwann schon einmal von Schlaflosigkeit geplagt wurde. Aber der eingangs erwähnte Peter Tripp wählte den Zustand der Schlaflosigkeit freiwillig. Eine „temporäre Psychose“ erlitt Tripp laut Ärzten aufgrund seines Experiments. Obwohl er tatsächlich wach war (wenn auch in den letzten sechzig Stunden seines achttägigen „Wake-A-Thons“ nur mit Hilfe von aufputschenden Drogen), glichen seine Gehirnströme denen eines Schlafenden. Alle 90 Minuten konnte man das beobachten, was als REM-Phase bekannt ist: Die Zeit, in der Menschen nachts träumen. Tripp träumte mit offenen Augen. Das „Guiness-Buch der Rekorde“ führt freiwillige Schlaflosigkeit heute nicht mehr als Kategorie – aus Angst, die Teilnehmer*innen solcher Wettbewerbe könnten dauerhafte Schäden erleiden. Während es für Tripp eine enorme Willensanstrengung bedeutete, nicht einzuschlafen, scheint es ein paar seltene Menschen zu geben, für die Wach-Marathons alltäglich sind. Menschen, die angeblich einfach keinen Schlaf brauchen und nicht weiter unter dessen Entzug leiden.

Neben den ewig Schlaflosen gibt es noch die, die „schlaflose Elite“ genannt werden. In einer Gegenwart, in der die allzeit fitte und motivierte Arbeitsbiene als Ideal gilt, tragen High-Performer aus Politik und Wirtschaft ihre schlaflosen Nächte wie Auszeichnungen vor sich her. Wer mit drei, vier Stunden Nachtschlaf auskommt, schafft etwas, alle anderen sind nur schlaffe Softies. „Ich habe eine Art Kamelkapazität, mit Schlaf umzugehen. Das ist eine Fähigkeit, die für dieses Amt nicht ganz unwichtig ist.“, sagt Angela Merkel. „Ich kann über eine gewisse Zeit, fünf oder sechs Tage lang, mit wirklich sehr wenig Schlaf auskommen.“ Auch Donald Trump und Barack Obama sind der Meinung, vier Stunden Schlaf müssen in ihren Jobs genügen. Überhaupt scheinen vier Stunden – in etwa die Hälfte dessen, was als gesunde, durchschnittliche Schlafdauer angesehen wird – das zu sein, was die Supererfolgreichen sich gerade noch an Ruhe gönnen. Unter Schlafforscher*innen gilt es dabei als erwiesen, dass zehn Nächte mit weniger als sechs Stunden Schlaf hintereinander denselben Effekt auf die Leistungsfähigkeit und Urteilskraft gesunder Menschen haben wie ein Promille Alkohol. Die Performancekünstlerin Marina Abramovic ließ sich in ihrer mehrere Tage andauernden Live-Art- Installation „House with the Oceanview“ bei Verrichtigungen des alltäglichen Lebens beobachten, genauso wie beim Schlafen. Mit „Schlaflos in… Frankfurt“ wollten wir uns dem Phänomen von Schlaflosigkeit und Schlafentzug nähern. Uns interessierten dabei v. a. die Mythenbildung um die Themenkomplexe Schlaf/Traum/Schlaflosigkeit. Im Vollzug einer achtstündigen Performance, die um 23 Uhr abends beginnt und beim Sonnenaufgang am nächsten Morgen endet, wollen wir uns nicht nur inhaltlich mit dem Schlaf bzw. der Schlaflosigkeit auseinandersetzen, sondern uns und unser Publikum gleichermaßen mit den Folgen von Schlafentzug konfrontieren.