Was ihr wollt: Der Film

FUX

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Was ihr wollt: Der Film

FUX

How is democracy to continue? We don’t know, but we do suspect that whatever the case, more participation is needed. The counter-model to commodious dictatorship would be an emancipatory concept of participation in politics and society. That would be something to agree on. Unfortunately, every rough draft of political participation seems to contain a lot of fine print: Who decides who gets to decide? What methods will be used? Who asks the questions? Who decides what the options are? Together with the ensemble of the Schauspielhaus Vienna, FUX explores past, current and future participatory strategies, hopes and dead-ends. For this, they turn the theatre upside down and bring a live documentary film on stage, while diligently producing “authentic” material behind the screen.

 

Infos

Language: German
Duration: 100 Min.

Sponsors and Supporters

Text & Regie: Nele Stuhler & Falk Rößler
Mit: Simon Bauer, Steffen Link, Irina Sulaver, Falk Rößler, Nele Stuhler, Jost von Harleßem, Nils Weishaupt
Bühne & Kostüme: Aleksandra Pavlović
Musik: Nils Weishaupt
Video: Jost von Harleßem
Künstlerische Mitarbeit: Lisa Schettel
Dramaturgie: Anna Laner
Licht: Oliver Matthias Kratochwill
Ton: Benjamin Bauer
Regieassistenz: Johanna Mitulla
Bühnenbildassistenz: Robert Zeigermann
Kostümassistenz: Sophie Tautorus
Produktionsleitung: Jasna Witkoski

Eine Produktion von FUX & Schauspielhaus Wien. Gefördert im Fonds Doppelpass der Kulturstiftung des Bundes.

More Information

 

1. Man möchte Mitmachen
Wenn man mitmacht, ist man dabei.
Wenn man nicht mitmacht, ist man außen vor.
Dann macht man alleine.
Aber alleine machen ist Betrug am Mitmachen, weil mitmachen nur mit anderen geht. Machen alleine ist ohnemachen.
Nur wenn man mitmacht, macht man wirklich. Nur wenn man mit andern macht, macht man wirklich was, weil die andern das Machen erst wahr machen. Was Gemachtes ist nur wahr, wenn es mit (andern) gemacht wurde, wenn es ohne (andere) gemacht wurde, ist es gar nicht wirklich, dann ist es nur halb, dann ist es nur Probe, dann ist es gar nicht richtig da.
Nur mitgemacht ist wirklich. Ohnegemacht ist höchstens halb.

2. Wenn man mitmacht, wird’s trotzdem schlecht
Alle sollen mitmachen. Aber so, wie ich’s machen würde!
Wenn ich nicht mitmache, wird das nichts.
Da sollte ich lieber mitmachen.
Aber wenn ich mitmache, wird’s auch nicht so, wie ich’s machen würde.
Es ist schrecklich. Schrecklich aber wahr. Ich mach mit, und trotzdem wird’s anders. Sogar wenn ich mitmache, wird’s schlecht. Was soll denn das? Was ist denn da los? Da stimmt doch was nicht.

3. Man möchte nicht mitmachen
Oft ist es gut, dass man nicht mitmacht.
Oft sollen lieber andere machen, damit man selber nicht mitmachen muss oder woanders mitmachen kann.
Kindertagesstätten, Schulen, Restaurants, Computerhersteller, Zeitungen, Reinigungsfirmen, Inkasso-Unternehmen, Parteien, Armeen, Suchmaschinen, Kunst.
Zum Glück macht man nicht überall mit. Es wäre sonst nicht auszuhalten.

4. Es gibt kein richtiges Mitmachen im falschen
Wie gutes Mitmachen geht, das wissen wir gar nicht. Es fängt schon damit an, dass nicht alle gleichzeitig was machen können, wenn man was zusammen machen will. Es geht damit weiter, dass irgendjemand die Regeln macht, wie mitgemacht werden darf. Es hört damit auf, dass irgendjemand die Optionen macht, zwischen denen man sich entscheiden soll. Jedes Mitmachen macht irgendwann irgendwie nicht richtig mit.

5. Mitmachen heißt Einverständnis
Mitmachen, Teilhaben, Partizipieren – das klingt friedlich. Das klingt nicht nach Widerstand, obwohl man natürlich auch beim Widerstand mitmachen kann. Aber dann macht man eben mit. Partizipieren – heißt das nicht immer auch, sich auf etwas einzulassen, etwas beizupflichten, zu etwas beizutragen, dessen Rahmenbedingungen man nicht selbst gesetzt hat? Und ist nicht auch die Grundgeste der Demokratie, das Wählen, genau das? Teilhabe an einem System, das schon da ist, und in dem man eine darin vorgesehene Option auswählt? Und ist womöglich gerade das auch die Stabilität einer Gesellschaft, dass also die in ihr vorgesehene Teilhabe nichts Unvorhergesehenes produzieren darf?

Exkurs: Autokorrektur
Die Autokorrektur ist eine entmündigende Technologie. Sie sagt: „Ich weiß schon, was du sagen willst, ich mach’s schon mal fertig, okay? Da ist es, du brauchst dich nicht zu bedanken, mach einfach weiter. Oh, und nimm doch danach gleich dieses Wort und danach dieses. Ich weiß nämlich auch, was du sagen wirst.“
Die Autokorrektur ist kränkend. Sie sagt: „Du bist nicht individuell. Du bist ausrechenbar. Und außerdem machst du ständig Rechtschreibfehler!“
Die Autokorrektur ist normierend. Sie sagt, was gesagt werden soll.
Sie überführt die schwerfällige Teilhabe an massenhafter Kommunikation in reibungslose Geschwindigkeit – durch Standardisierung. Die Autokorrektur standardisiert Partizipation. Darin ist sie ein Modell des Mitmachens in der Techno-Liberalismus-Kapitalismus-Demokratie. Oder ein Modell dessen, was Mitmachen von jeher sein könnte: Einspeisen von Input in einen standardisierten Korridor.

6. Mitmachen heißt Widerspruch
Wir nehmen teil. Wir nehmen uns einen Teil. Wir nehmen uns das Recht, einen Teil hinzuzufügen.
Wir haben teil. Wir haben einen Teil. Wir nehmen uns das Recht, einen Teil davon zu haben. Wir nehmen uns das Recht, einen Teil, den wir haben, hinzuzufügen.
Wir fügen dazu und nehmen heraus, nehmen uns heraus, herauszunehmen oder hinzuzufügen.
Oder hinzugehen, um von unserem Irrtum ausgehend gemeinsam mit anderen Irrtümern zu etwas Anderem zu kommen, etwas Neuem: einem neuen Ganzen oder einem neuen Teil. Denn jedes Ganze von Menschenhand ist immer nur ein Teil.
Emanzipatorisches Mitmachen wäre eigentlich Streit. Und zwar Streit mit offenem Ausgang. Streit ist nicht Krieg. Wir brauchen keine Feinde, sondern Gegner. Wir brauchen also Orte, also Institutionen, also öffentliche Räume, in denen Gegner aufeinandertreffen können.
Das ist natürlich utopisch.

Exkurs: Mitmachen im Theater
Die Meisten haben Angst vorm Mitmachen im Theater. Wenn man Menschen fragt, ob sie mit ins Theater kommen wollen, dann fragen sie zuerst: „Muss man da mitmachen?“ Denn das wollen sie da anscheinend gerade nicht.
Aber das Mitmachen im Theater ist ja nicht nur das Mitmachen beim Theater. Es ist ja auch schon mal was, dass all die Leute wirklich da sind, sich sehen und hören können, dass es Reaktionen gibt und Reaktionen auf Reaktionen. Da ist er doch, der Streitraum!
Aber werden nicht nach der Vorstellung im Laufe der Diskussionen alle möglichen Meinungen über einen Theaterabend zu einer einzigen Grundhaltung konsolidiert? Und arbeitet die Theaterkritik nicht fleißig an dieser Konsolidierung mit? Und ist damit eben nicht Streit, sondern im ganzen Gegenteil Versöhnung, man könnte auch sagen: Konsens, man könnte auch sagen: Ausschaltung von Differenz, man könnte auch sagen: Gleichschaltung das Wesen des Theaters? Das Theater, eine Opportunismusmaschine. Das Theater, ein Konformitätshersteller – aber auch ein Modell dafür, wie gesellschaftlicher Konsens entsteht: als sich selbst steuernder Machtdiskurs in dem sich flächenbrandartig eine Meinung ausbreitet und durchsetzt.

7. Mitmachen heißt Mitmachen auch der Ahnungslosen
Beim Mitmachen reden Nicht-Experte bei Expertenthemen mit, sonst kann man das Mitmachen bleiben lassen. Wenn man mitmacht, ist man mit seiner eigenen Unzulänglichkeit konfrontiert – und das System mit der der Mitmachenden.

8. Mitmachen heißt Alternativen suchen
Wer heute mitmachen will, muss vielleicht sowieso mitmachen. Dringend gesucht wird eine Lösung für das Dilemma, mehr als sieben Milliarden gleichberechtige Menschen auf der Welt zu sein, die nicht gleichberechtigt sind. Unter anderem.

9. Hier bitte nicht mitmachen!
Ich bin hier. Ich stehe hier. Und ich stehe hier gerne! So wie ich bin. Ich bin kein Google-Doc. Du kannst mich nicht korrigieren. Du kannst nicht mehr in mich eingreifen. Du musst mich nehmen, wie ich bin. Aber nächstes Mal kannst du mitmachen. Wirklich.

Falk Rößler & Nele Stuhler
aus: „Theater Oberhausen. Die Spielzeit 2018/19“, S. 74f.