AH|HA

Lisbeth Gruwez/Voetvolk

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AH|HA

Lisbeth Gruwez/Voetvolk

Baring your teeth, your diaphragm twitching, a tremor driving you to tears: in its appropriation of the whole body, laughter borders on the violent. In “AH | HA”,  choreographer and dancer Lisbeth Gruwez dissects this involuntary reflex and breaks it down into its component movements. Assembled into a ravelike, monotonous delirium, Gruwez, whose diverse work is the focus of this year's Tanzfestival Rhein-Main, creates a choreographic trip, an exploration of ecstasy. “AH | HA” is an estranging abstraction for five bizarrely dressed characters, which float from one state to the next, almost without volition. “AH | HA” is a behavioral study of human affects – anarchy defined by absolute control – scored to a suggestive soundtrack by composer Maarten Van Cauwenberghe. “AH | HA” is the first group piece by the Belgian collective Voetvolk, which was founded in 2007 by the choreographer and dancer Lisbeth Gruwez and the composer and musician Maarten Van Cauwenberghe.

Infos

Duration: 55 min.

Sponsors and Supporters

Concept & choreography: Lisbeth Gruwez
Composition & sound design: Maarten Van Cauwenberghe
Dancers: Colline Libon, Anne-Charlotte Bisoux, Lisbeth Gruwez, Vicente Arlandis Recuerda, Lucius Romeo-Fromm
Stylist: Catherine Van Bree
Artistic advisor: Bart Meuleman
Light design: Harry Cole & Caroline Mathieu
Technical director: Thomas Glorieux / Caroline  Mathieu
Production manager: Anita Boels
Communication assistant: Daan Borloo
Production: Voetvolk vzw
International diffusion: Key Performance

Coproduction: Rencontres chorégraphiques internationales de Seine-Saint-Denis, NEXT Festival, Theater Im Pumpenhaus, Théâtre d’Arras / TANDEM Arras-Douai, Dampfzentrale, Le Triangle - scène conventionnée pour la danse - Rennes, Théâtre de la Bastille, Les Brigittines, AndWhatBeside(s)Death, MA Scène nationale – Pays de Montbéliard. Residencies: Troubleyn | Jan Fabre, KVS, Les Brigittines & BUDA. Voetvolk is company-in-residence by Troubleyn | Jan Fabre and the Royal Museum of Fine Arts (Antwerp), and ‘ariste associé’ of Le Quartz – Scène nationale de Brest. Supported by: kc NONA, Province of Antwerp, the Flemish Community & the Flemish Community Commission.

 

International diffusion: Key Performance

More Information

Die Tanzschürferin

von Melanie Suchy

Untertage. Bei Lisbeth Gruwez hat man oft den Eindruck, sie habe den Tanz der Dunkelheit abgerungen. Es geht der Künstlerin darum, wie etwas in Erscheinung tritt, in Erscheinung geholt wird: geschürft, gekratzt, gebogen, gehämmert, gedrückt, gezogen. Und manchmal ist es das Gegenteil: das Nichtstun, das Aufhören oder nur das Abwarten, was das Sichtbarwerden bedeutet. Damit Zuschauerinnen und Zuschauer dies wahrnehmen, braucht sie von ihnen eine bestimmte Aufmerksamkeit, das ist Teil ihrer Schürfarbeit.

Gruwez’ Kunst spricht nie von oben herab, eben darin ist sie groß. Die Choreografin trägt nie eine besserwisserische Haltung vor sich her, sondern hält sich auf berührende Weise das Fragen offen, auch indem ihre Stücke zugleich vehement und zart sind. Zehn Werke hat Lisbeth Gruwez geschaffen, seit sie 2007 freiberuflich zu arbeiten begann. Dafür gründete sie mit ihrem Arbeitspartner, dem Musiker Maarten Van Cauwenberghe, das Label Voetvolk. Mehrere Stücke halten sie im Repertoire; ihre Auftritte sind weltweit gefragt.

Lisbeth Gruwez, die außerhalb der Bühne kleiner wirkt als vor Publikum, wurde 1977 im belgischen Kortrijk geboren. Mit sechs Jahren begann sie, klassisches Ballett zu lernen, ließ sich in Antwerpen ausbilden, wechselte nach dem Abschluss auf Anne Teresa De Keersmaekers Schule P. A. R. T. S. in Brüssel, um Zeitgenössischen Tanz zu studieren. Sie tanzte in Flandern bei Choreografen wie Wim Vandekeybus und ab 1999 bei Jan Fabre, der auch ein Solo für sie schuf; es führte die Mann- Frau-Zuschreibung aufs glitschige Gelände, mit Olivenöl getränkt. An Fabres Theater Troubleyn / Laboratorium in Antwerpen sind Voetvolk bis heute Artists in Residence. Im Mousonturm gastierten sie zum ersten Mal 2011 mit „Birth of Prey“ von 2008, wo ein ruppiger Gitarrensound die Tänzerin jagte und diese „Beute“ das Aufbegehren so wenig aufzugeben bereit war wie den Lebenswillen. Dies als Grundlage fürs Tanzen zu verstehen, die Begegnung von Klang und Körper sowie die Auseinandersetzung um Kontrolle, um Macht – das macht seither die Arbeiten von Gruwez und Van Cauwenberghe aus, egal ob im Solo oder im Ensemblestück.

Die beiden gehen dem Warum von Bewegung auf den Grund. Die Zuschauerinnen und Zuschauer können dieses Auf-den-Grund-Gehen derweil mit eigenen physischen Erfahrungen verknüpfen und brauchen kein Vorwissen über Tanz- Codes – das ist Gruwez’ erklärtes Ziel. Dafür recherchiert die Choreografin Gesten- und Verhaltensrepertoires, zum Beispiel unter fanatischen Predigern wie dem amerikanischen Reverend, dem sie mit „It’s going to get worse and worse and worse, my friend“ ihre kritische Referenz mit messerscharfen Armausschlägen erweist. Das Stück war vergangenen Juni im Mousonturm zu sehen. In dem Quintett „AH|HA“ von 2014 knetet sie Jubeln, Lachen, Freuen durch, bis die gereckten Fäuste und offenen Münder ein Grauen durchscheinen lassen. Man meint plötzlich, Masken zu entdecken und versucht, diese Lücke zwischen Fleisch und außen getragener Hülle zu ergründen.

Im Duett „We’re pretty fuckin’ far from okay“ von 2015 hechelt der Atem wie ein eigenwilliges Lebewesen. Die Tänzerin und der Tänzer sind ihm ausgeliefert, aber gleichzeitig pumpen sie auch selbst. Sie streichen und reiben an der eigenen Haut und am anderen, wie, um sich nicht zu verlieren. Und doch wäre dieser Verlust auch Gewinn: nicht mehr selbst sein zu müssen vor lauter Angst, „far from okay“.

All diese Elemente und das gelöstere Anschmiegen und Umarmtwerden von der Musik, das „Lisbeth Gruwez tanzt Bob Dylan“ 2015 vollführt, die Unmöglichkeit des Verschmelzens dabei eben nicht verleugnend, all das geht 2018 in ihr jüngstes Gruppenwerk ein: „The Sea Within“. Zum ersten Mal steht die Choreografin dabei nicht mit auf der Bühne, stattdessen bildet eine Gruppe Tänzerinnen eine Art organisches System aus Reaktionen, mit Wogen, Fallen, Auffangen, Zerfallen, Verbiegen, Einigen. Sie treiben. Das langsame Fließen oder Schweben schmeichelt, gerät zum scheinbaren Chaos. Aber der Pulk kann es wiederholen: Arme, Beine, Köpfe. Diese Höhlenbewohnerinnen finden ihr Lebenselixier in der „inneren See“. Sie hauen nicht. Obwohl – ist dem Frieden zu trauen? Den Kopf in den Sand, das Meer, zu stecken?