I Love You, Goodbye (Unfuck My Brexit Edition)

Gob Squad

I Love You, Goodbye (Unfuck My Brexit Edition)

Gob Squad

We may no longer live where we were born, yet we still carry pieces of our ancestry around with us: our grandma’s way of making junket to solve conflicts, beans on toast as a symbol of our working class origins or Frankfurt’s green sauce, which has hardly changed since Goethe’s time. How important is an understanding of our roots for a future Europe? How much identity do we need? Gob Squad is a German-British collective that emerged out of student exchanges in the 1990’s. In the Frankfurt edition of this show, which was originally conceived for the night of Brexit, they take a first look at what separates us. “I Love You, Goodbye” is not theatre, but rather a 6-hour situation on the verge of collapse. There is singing and cooking, eating and discussions. And decisions that have to be made. By all of us. We have to talk once last time, before maybe the idea of Europe falls apart ….

Infos

Duration: 300 Min.
Language: German and English
Premiere of the Frankfurt Version

Sponsors and Supporters

By and with: Gob Squad

The festival „Unfuck my future. How to live together in Europe” is funded within the framework of the Alliance of International Production Houses by the Federal Government Commissioner for Culture and the Media of Germany as well as the Federal Agency for Civic Education and by the NATIONALE PERFORMANCE NETZ (NPN) Gastspielförderung Tanz from the resources of Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien.

 

More Information

Trennungsschmerzen

von Falk Schreiber

Time to say goodbye. Gob Squad, die deutsch-britischen Live-Art-Urgesteine, sind mittlerweile in dem Alter, in dem nicht mehr der richtige Musikgeschmack ausschlaggebend ist, das Einkommen oder der Wohnort. Sie sind in dem Alter, in dem man sich von Menschen und von Dingen verabschiedet, wohl wissend: Die kommen nicht wieder. Am Düsseldorfer Forum Freies Theater verabschiedeten sie sich im Frühjahr von der analogen Welt: Das Internet ist mittlerweile in all unsere Lebensbereiche vorgedrungen, also inszenierten sie ein letztes Ritual, sechs Stunden ohne Netz.

Vielleicht ist der Abschied von der analogen Welt längerfristig der wichtigere Abschied. Für Gob Squad aber, die in den Neunzigern an den Hochschulen Nottingham und Gießen gegründete und mittlerweile in Berlin ansässige Gruppe, ist ein anderer Abschied drängender: Großbritannien, Herkunftsland von vier der sieben ständigen Mitglieder, löst sich in einem quälenden Prozess aus der EU, und das sorgt nicht nur für Probleme bei internationalen Touren, das sorgt vor allem für eine existenzielle Verunsicherung, wenn man bislang Europa als Heimat verstanden hatte. Zeit also für rituelles Abschiednehmen von Großbritannien. Zeit für Tränen, für Umarmungen, für das, was Heimat für einen bedeutet: für Essen. „I Love You, Goodbye“ ist über weite Strecken eine Kochshow, in der die gemeinsamen Erinnerungen zu ikonographischen Gerichten werden, Quarkspeise hier, Beans on Toast da.

Berit Stumpf und Sean Patten von Gob Squad sitzen in einem Café in der Düsseldorfer Innenstadt. „In einer Welt, in der nationale Grenzen wichtiger werden, in einer Welt, in der der Brexit Großbritannien von der EU trennt, sagen wir als binationale Gruppe: Bevor wir uns trennen, möchte ich, dass der andere mich versteht!“, beschreibt Patten das Konzept. „Wenigstens einmal. Und um mich wirklich zu verstehen, muss mein Gegenüber das Gericht, das ich koche, verstehen.“ Patten bereitet in der Show einen Trifle zu, eine wuchtige Süßspeise, von der er selbst weiß, dass es mehr darum geht, dass der Trifle da ist, weniger darum, dass er schmeckt. Und Stumpf macht Frankfurter Grie Soß, ein Gericht, das zwar immer mit den gleichen sieben Kräutern hergestellt wird, dessen Feintuning aber von Haushalt zu Haushalt variieren kann. Und vielleicht versteht man den Briten und die Hessin tatsächlich ein wenig, wenn man diese Gerichte sieht.

Man sollte nicht den Fehlschluss ziehen, dass solch ein finales Kennenlernen bei der Trennung einfach sei – spätestens bei der Frage, ob man die Kräuter für Grie Soß mit der Küchenmaschine zerkleinern dürfe, versteht Stumpf keinen Spaß mehr und macht ihren Mitspielern die Küchenarbeit zur Hölle. Da geht der Abend ans Eingemachte, sagt: Wir ziehen uns hier vor euch aus, das ist ernst. „Wir fokussieren uns diesmal eher auf die kulturellen Unterschiede, auf das, was uns trennt“, sagt Stumpf, „nicht das, was uns eint.“ Trennungsschmerz. Das nationale Thema tritt da in den Hintergrund: „Es geht hier nicht nur um die Unterschiede zwischen England und Deutschland“, stellt Patten klar, „es geht vielleicht auch um die Unterschiede zwischen Nord- und Südengland, womöglich geht es sogar um die Unterschiede von Dorf zu Dorf.“

Die Trennung in „I Love You, Goodbye“ ist in Wahrheit ein Zerfall. „Der Zerfall Europas ist ein größeres Thema, das über den kleinen‘ Brexit weit hinausgeht“, stellt Stumpf fest. „Die frühen neunziger Jahre, als wir uns zusammengefunden haben, kommen einem rückblickend wie eine sehr viel offenere und grenzüberschreitende Zeit vor – mit Erasmus, mit der Idee von Europa!“ Und Patten sekundiert: „Vielleicht haben wir den Höhepunkt der europäischen Integration schon lange hinter uns. Und jetzt geht es Richtung Mittelalter.“ Das Gespräch jedenfalls geht konsequent in Richtung Depression.

Was allerdings nicht auf „I Love You, Goodbye“ zutrifft. Denn trotz seines traurigen Anlasses hat der Abend auch viel Humor. Zumindest Galgenhumor.